Salzburger Nachrichten, Austria
Holocaust-Debatte. Auch viele deutsche Bischöfe haderten mit dem Vatikan. Kanzlerin Merkel gab ihrer Entrüstung politisches Gewicht.
ROM, BERLIN (SN). Geschehen ist etwas Unglaubliches. Bis auf wenige Ausnahmen hadern katholische Bischöfe in Deutschland mit Papst Benedikt XVI., und noch nie hat sich ein deutscher Regierungschef so wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in die Kirchenpolitik des Vatikans eingemischt. Mit allem Nachdruck hat die evangelische Christin Merkel die Konsequenzen einer Entscheidung des katholischen Kirchenoberhaupts kritisiert. Der in Bayern geborene Papst hatte die von Johannes Paul II. vor 20 Jahren verfügte Exkommunikation von vier Bischöfen der ultrakonservativen Piusbruderschaft rückgängig gemacht. Zu ihnen zählt der britische Bischof Richard Williamson, der den Völkermord der Nazis an den Juden und die Existenz von Gaskammern in den Vernichtungslagern leugnet.
Die Erklärungsversuche aus Rom – “schlechte Informationspolitik” oder “falsche Beratung” – lässt Merkel kaum gelten. Sie liegt eher auf der Wellenlänge von Kardinal Lehmann, dem Bischofs von Mainz, der eine klare Entschuldigung “von hoher Stelle” fordert. Unmissverständlich hat die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende vom Papst und vom Vatikan eine eindeutige Klarstellung gefordert, dass es keine Leugnung des Holocaust geben könne und dass es einen positiven Umgang mit dem Judentum insgesamt geben müsse. “Diese Klarstellung ist aus meiner Sicht noch nicht ausreichend erfolgt”, so Merkel unmissverständlich am Dienstag. Die Reaktion des Vatikans folgte am Mittwoch.
Der Jüdische Weltkongress (WJC) hat die Aufforderung des Vatikans an den umstrittenen Traditionalistenbischof Williamson begrüßt, die Leugnung des Holocaust öffentlich zu widerrufen. Kongresspräsident Ronald Lauder sagte in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung: “Dies war das Signal, auf das die jüdische Welt gewartet hat.” Der Vatikan sei schlecht beraten gewesen, die Exkommunikation der vier Bischöfe aufzuheben.
Es gebe Anzeichen dafür, dass der unverhohlene Antisemitismus in der Piusbruderschaft kein Einzelfall sei, hieß es weiter. Papst Benedikt XVI. müsse dafür sorgen, dass nicht vier Jahrzehnte katholisch-jüdischen Dialogs von einer kleinen Minderheit beschädigt würden, sagte Lauder. Die Verleugnung des Holocaust dürfe nicht ungestraft bleiben, und Antisemiten dürften in der Kirche nichts zu sagen haben. Der Jüdische Weltkongress repräsentiert jüdische Gemeinschaften in mehr als 80 Ländern weltweit.
Am Dienstagabend hatte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi noch erklärt, die Verurteilung jeder Holocaust-Leugnung durch den Papst hätte “klarer nicht sein können”. Lombardi hatte darauf verwiesen, dass Benedikt vor einer Woche seine “volle Solidarität” mit den Juden bekräftigt und sich von einer Leugnung der Judenvernichtung distanziert habe. Am Mittwochvormittag hatte sich der Papst auf seiner wöchentlichen Generalaudienz nicht zum Fall Williamson geäußert.
Später jedoch verlautete aus dem Vatikan, wie schon am 28. Jänner vom Kirchenoberhaupt bekräftigt, dass die Äußerungen von Monsignore Williamson absolut inakzeptabel seien und vom Papst abgelehnt würden.
Die Teilrehabilitierung der Traditionalisten, so der Vatikan, habe die vier Bischöfe von einer “schweren Strafe nach kanonischem Recht befreit”, ihnen aber nicht ihre Funktionen innerhalb der Kirche zurückgegeben. “Um eine vollständige Rehabilitierung zu erlangen, ist eine eindeutige Anerkennung des II. Vatikanischen Konzils und der Päpste Johannes XXIII., Paul VI., Johannes Paul II. und Benedikts XVI. selbst unabdinglich”, forderte der Vatikan. Bisher hätten die Traditionalisten kein Recht, ihr Bischofsamt auszuführen. Auch die kirchenrechtliche Position der Piusbruderschaft, die nicht anerkannt wird von der katholischen Kirche, habe sich in keiner Weise geändert durch die Rücknahme der Exkommunikationen.
Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, bezweifelte freilich, dass es Sinn habe, Williamson zur Rücknahme seiner Äußerungen zu zwingen. Denn dieser vertrete seine Überzeugungen seit vielen Jahren. Der Zentralrat der Juden hatte zuvor eine unmissverständliche Kurskorrektur des Vatikans verlangt. Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch betonte, sie erwarte, “dass der Vatikan konkrete Konsequenzen aus den Vorfällen um die Piusbruderschaft zieht.
“Es geht nicht darum, dass Fehler gemacht worden sind, sondern darum, dass diese wieder ausgeräumt werden”, sagte Knobloch. Nötig sei eine klare Abgrenzung der Kirche von dieser antisemitisch geprägten Gruppierung, “die grundsätzlich den Dialog mit den Juden ablehnt, sie als Gottesmörder bezeichnet und Holocaust-Leugner in den eigenen Reihen duldet”.